Mario Gomez und die BUNTE

In der neuen Ausgabe der BUNTEN, die heute rauskam, ist ein Interview mit Mario Gomez, in dem er sich auf die Frage, warum schwule Fußballer sich eigentlich nie outen, folgendermaßen äußert: " Sie würden dann wie befreit aufspielen. Schwulsein ist doch längst kein Tabuthema mehr. Wir haben einen schwulen Vizekanzler, der Berliner Bürgermeister ist schwul. Also sollten sich auch Fußballprofis zu ihrer Neigung bekennen." Das Zitat wurde bereits vorab veröffentlicht und hat ein ziemliches Medienecho hervorgerufen.

Heute wurde Mario dann zu dem Thema auf einer Pressekonferenz befragt. Ich hab das Video davon leider noch nicht gesehen, aber anscheinend ist das Interview bereits vor acht oder neun Monaten geführt worden. Mario steht aber weiterhin zu seiner Aussage: "Wenn einen etwas bedrückt, kann man nicht so gute Leistungen bringen". Mit dem ganzen Rummel hatte er allerdings nicht gerechnet: "Ich hatte nur erwähnt, dass sie sich outen sollen. Was passiert, wenn sich wirklich einer outet? Ich weiß nicht, ob ein Spieler diesem Druck standhalten kann. Wenn ich jetzt die Reaktion der letzten beiden Tage sehe, ist das sicher sehr schwierig."

Hier nochmal ein Link zu einer Zusammenfassung: http://de.eurosport.yahoo.com/11112010/73/bundesliga-gomez-leiser-appel-menschlichkeit.html

Wenn jemand einen Mitschnitt der PK finden sollte, wär ich für den Link echt dankbar

Irgendwie weiß ich im Moment nicht, was ich von der Sache halten soll. Eigentlich fand ich es sehr schön, dass er sich dazu geäußert hat (und vor allem so positiv), aber jetzt mit dem ganzen Presserummel wirkt er so resigniert. Und solche Messages werden echt genug verbreitet.

Ich hatte schon an anderer Stelle (ich meine, es wäre in dem Thread über die Unterschiede zwischen Rugby und Fußball) erwähnt, daß ich durchaus einen der Hauptgründe, weshalb schwule Spieler sich nicht trauen, sich zu outen, die zu erwartende Medienhetze sehe. Ich denke, heutzutage ist zumindest in europäischen Ländern wie Deutschland, Holland, Frankreich, England etc. nicht wirklich mit gewalttätigem Vorgehen gegen schwule Spieler zu rechnen (zumindest in den oberen Ligen). Und verbale Beleidigungen von Seiten der gegnerischen Spieler und Fans kennt wohl jeder Spieler. Da braucht es nicht viel für. Ein einfacher Vereinswechsel reicht da schon aus, um verbal fertig gemacht zu werden. Das ist also sozusagen nichts neues für Spieler generell. Aber was neu wäre, ist das Medieninteresse. Nicht ein einfaches, normales Medieninteresse. Ich denke ehr, daß es bis in die intimsten bereiche desjenigen Spielers gehen wird, der sich outet. Familie, Freunde, bekannte, Berufskollegen werden mit reingezogen, aber auch eventuelle sexuelle Enthüllungsstories gebracht. Denkt nur mal an das schon vouyouristische Interesse an den Einzelheiten zum Schiri-Skandal vor ein paar Monaten, als ein junger Schiri angab, von einem Schiribeauftragten sexuell genötigt worden zu sein. Beim DSF (jetzt Sport1) war das tagelang DAS Thema schlechthin und es ging sogar so weit, daß ein Reporter den jungen Schiri offen über die intimen Details ausfragte. Nichts anderes blüht demjenigen, der sich in unserer heutigen Medienlandschaft outet. Und da besteht eben im bereich Fußball noch ein größeres, breiteres Interesse, als in anderen Sportarten oder sozialen bereichen. Wenn also schon ein Gomez wegen seinen Äußerungen so dermaßen medial belegt wird, dann dürfte es nicht nur für die schwulen Spieler eine Warnung sein, sondern leider viellicht auch für diejenigen, die sich einfach positiv zu dem Thema äußern. Jetzt heißt es nicht nur: "Outet euch nicht", sondern wohl auch innerhalb der Fußballer "Äußere dich zu dem Thema bloß nicht".

Quote :

Wenn also schon ein Gomez wegen seinen Äußerungen so dermaßen medial belegt wird, dann dürfte es nicht nur für die schwulen Spieler eine Warnung sein, sondern leider viellicht auch für diejenigen, die sich einfach positiv zu dem Thema äußern. Jetzt heißt es nicht nur: "Outet euch nicht", sondern wohl auch innerhalb der Fußballer "Äußere dich zu dem Thema bloß nicht".

Ich fürchte echt, dass du Recht hast, und das ist so traurig '-(

Irgendwie hat mich aber gerade das Stichwort "Medieninteresse" ein bisschen ins Grübeln gebracht. Frage in die Runde: Fällt jemandem von euch ein Thema ein, bei dem sich das Medieninteresse in den letzten, sagen wir 10, 20 Jahren von "oh mein Gott, wie skandalös!" zu "Pff.... Dreizeiler auf Seite 4...." gewandelt hat? Und wenn ja (mir wollte beim besten Willen nix einfallen), gab es dafür bestimmte "Ursachen"? In der Richtung ein bisschen zu forschen, könnte uns helfen, z.B. Argumente für Leserbriefe und Kommentare zu finden, falls wir mal hetzerische Berichterstattung reagieren wollen.
Ich weiß, schon wieder Off Topic. Falls wirklich jemandem was dazu einfällt, können wir das ja in einen neuen Thread verschieben. Oder sogar eine englische Diskussion eröffnen. Es kommt mir nur selbst grad so hypothetisch vor...

schnubbelie wrote:

Frage in die Runde: Fällt jemandem von euch ein Thema ein, bei dem sich das Medieninteresse in den letzten, sagen wir 10, 20 Jahren von "oh mein Gott, wie skandalös!" zu "Pff.... Dreizeiler auf Seite 4...." gewandelt hat?

Was für Themen meinst du denn? In den Klatschspalten gibt es sowas ja immer wieder, aber daran wirst du nicht denken und das Interesse lässt bei diesen Sachen auch zumeist von allein nach, wenn es auf ein neues Thema gelenkt wird. Bei den wirklich wichtigen Themen fallen mir nur Beispiele ein, die im Grunde nicht wirklich aus der Welt sind, sondern einfach nur in den Hintergrund getreten sind (Stichwort: Mohammad-Karikaturen beispielsweise), weil irgendein Eisbär sein Junges nicht mehr mag oder dergleichen.

Quote :

Was für Themen meinst du denn?

Ich glaub, ich weiß selbst nicht so ganz was ich meine ;-) Irgendwie so ganz grundlegende (gesellschaftliche) Themen, bei denen sich die Art der öffentlichen Wahrnehmung und eben auch der medialen Berichterstattung gewandelt hat, wo einfach kein öffentliches voyeuristisches Interesse mehr besteht, das man befriedigen könnte. Aber dass einem da nicht wirklich was zu einfallen will, ist auch irgendwo eine Aussage, leider...

Brrr, beim Stichwort Mohammad-Karikaturen kam ich grad auf einen ganz blöden Vergleich. So kurz nach dem 11. September wäre ein Coming Out wahrscheinlich keine blöde Idee gewesen, weil es einfach niemanden interessiert hätte. Im Umkehrschluss heißt das: "Oute dich bloß nicht während des Sommerlochs".

Mal so nebenbei überlegt: Mario Gomez' Äußerungen wurden auch schon wieder vom nächsten Eisbären verdrängt, oder?

schnubbelie wrote:

Was für Themen meinst du denn?

Brrr, beim Stichwort Mohammad-Karikaturen kam ich grad auf einen ganz blöden Vergleich. So kurz nach dem 11. September wäre ein Coming Out wahrscheinlich keine blöde Idee gewesen, weil es einfach niemanden interessiert hätte. Im Umkehrschluss heißt das: "Oute dich bloß nicht während des Sommerlochs".[/quote]
Vielleicht in der Tat eine gewagte Idee, aber durchaus nicht so abwegig und dazu wohl auch ein guter Rat. Sicher, den perfekten Zeitpunkt für ein Coming Out im Fußball gibt es wohl nicht. Sommerloch natürlich blöd. Andererseits befinden sich die Spieler dann in der Sommerpause, haben also wenigstens für zwei-drei Wochen die Möglichkeit, dich in einen abgelegenen Urlaubsort zurückzuziehen, nachdem die Bombe gezündet hat und von aussen die Entwicklung zu beobachten, bevor sie wieder zu den vereinen zurückkehren. So dämlich es klingt, aber jeder, der sich mit dem Gedanken an ein Coming Out trägt, sollte sich vielleicht zuvor einen Presseberater suchen. Was wohl auch wichtig wäre: Erst mit dem Verein reden. Der sollte es besser nicht zuerst aus der Zeitung erfahren.[/quote]

schnubbelie wrote:

Mal so nebenbei überlegt: Mario Gomez' Äußerungen wurden auch schon wieder vom nächsten Eisbären verdrängt, oder?

ich hab das gar nicht so sehr verfolgt. Ich mag den Gomez nicht. Und so sehr ich mich über jede posititive Äußerung eines Spielers freue, so sher ist für mich in erster Linie wichtig, wie er sich dann abseits der Kameras dem Thema gegenüber verhält. Auf meine Heldenliste kommen Lahm, Gomez und Co. erst dann, wenn sich der erste Spieler geoutet hat und sie in der Praxis ihren Worten taten folgen lassen können.